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Health

Pflegereform in sieben Stufen – das PUEG

Von Daniel Hartwig / 1. Februar 2024

Der Deutsche Bundestag hat den Gesetzentwurf zum Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) am 26. Mai 2023 in 2./3. Lesung verabschiedet. Nach der Billigung des Gesetzes im Bundesrat wurde es am 23.06.2023 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und trat damit in Kraft. Auf dieser Grundlage wird in den nächsten Jahren eine Pflegereform über sieben Stufen hinweg vollzogen.

 

Das Bundesministerium für Gesundheit nennt als Zielsetzungen des PUEG auf seiner Website:

 

  • die Leistungsverbesserungen für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen
  • die Stabilisierung der finanziellen Lage der sozialen Pflegeversicherung
  • die Verbesserung der Arbeitsbedingungen für beruflich Pflegende
  • die Stärkung der Digitalisierung in der Langzeitpflege

 

Die genannten Ziele sollen durch ein mehrstufiges Verfahren von Änderungen, Anpassungen und Verbesserungen erreicht werden – in insgesamt sieben Stufen von Juli 2023 bis Januar 2028. Nachfolgend stellen wir die wichtigsten Änderungen mit unmittelbaren Auswirkungen auf pflegebedürftige Personen und Beitragszahlende vor.

Stufe 1 seit Juli 2023: Änderungen der Beitragshöhe zur sozialen Pflegeversicherung in Abhängigkeit der Anzahl eigener Kinder

Die erste Anpassung zum 1. Juli 2023 betrifft ausschließlich die gesetzliche Pflegeversicherung. Hier wurden die Regelungen zu Beitragsab- und zuschlägen in Abhängigkeit der Anzahl berücksichtigungsfähiger Kinder neu gestaltet.

Zum allgemeinen Beitragssatz, der um 0,35 Prozentpunkte auf 3,4 % angehoben wurde, zahlen Kinderlose nunmehr einen Zuschlag von 0,6 %, und Eltern bekommen ab dem zweiten Kind unter 25 Jahren gestaffelt Abschläge von 0,25 % je Kind.

 

Die Änderung war nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 7. April 2022 notwendig geworden und betrifft neben den Beitragszahlenden vor allem die Arbeitgeber, weil nun die konkreten Geburtsdaten der Kinder der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erhoben werden müssen.

Stufe 2 seit Oktober 2023: neue Fristberechnung für Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit

Die Rechtsvorschriften für die Begutachtung zur Feststellung einer Pflegebedürftigkeit wurden neu strukturiert und erweitert, die neuen Fristen gelten seit dem 1. Oktober 2023. Unter anderem werden die Versicherungsträger dazu verpflichtet, den Gutachter innerhalb von drei Arbeitstagen nach Eingang des Antrags in elektronischer Form zu beauftragen. Bei Eilgutachten erfolgt eine unverzügliche Beauftragung.

 

Eilgutachten sind künftig nicht mehr innerhalb einer Kalenderwoche nach Eingang des Antrags, sondern innerhalb von fünf Arbeitstagen durchzuführen. Die bisherige 2-Wochen-Frist wird analog in eine 10-Arbeitstage-Frist geändert.

Wird ein Eilgutachten beauftragt und ist das erste Pflegeereignis eine Kurzzeitpflege oder eine Übergangspflege im Krankenhaus (SGB V), dann muss die abschließende Erstbegutachtung innerhalb von zehn Arbeitstagen ab Beginn der Kurzzeitpflege oder Übergangspflege im Krankenhaus in der stationären Einrichtung erfolgen. Damit wird eine neue Frist eingeführt.

 

Die „Regelfrist“ von 25 Arbeitstagen bleibt erhalten. Allerdings laufen die verkürzten Fristen aus Vorabgutachten nun parallel zu dieser Regelfrist, d.h. für das Erstgutachten kann auch dann die Zahlung eines Strafbetrags fällig werden, wenn dem Erstgutachten eine Vorabbegutachtung vorausgegangen ist. Der Gesetzgeber regelt nun explizit, dass bei Verzögerungen durch die versicherte Person die Verzögerungstage hemmend wirken.

 

Die Höhe des an die Versicherten bei Verzug zu zahlenden Strafbetrags bleibt bei 70 Euro je Woche.

Stufe 3 seit Januar 2024: Erhöhung von Leistungsbeträgen mit Besonderheiten bei der Verhinderungspflege

Seit dem 1. Januar 2024 dürfen sich die Versicherten über um fünf Prozent höhere Leistungsbeträge beim Pflegegeld und in der häuslichen Pflegehilfe (Pflegesachleistung) freuen. Beim Pflegegeld ist dies die erste Anhebung seit Anfang 2017.

 

Pflegebedürftige Personen in den Pflegegraden 4 und 5 können bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres ebenfalls seit dem 1. Januar 2024 mehr Leistungen bei der Verhinderungspflege als bisher erhalten.

 

Anstatt wie bisher 806 Euro können bis zu 100 % des Kurzzeitpflegebudgets und damit bis zu 1.774 Euro zusätzlich für Aufwendungen der Verhinderungspflege genutzt werden. Bei vollständiger Ausschöpfung steht entsprechend kein Budget mehr für die Kurzzeitpflege zur Verfügung. Zudem kann dieser Personenkreis die Verhinderungspflege für bis zu acht Wochen in Anspruch nehmen. Das Verhinderungspflegegeld beträgt in diesen Fällen das Doppelte eines monatlichen Pflegegeld-Höchstsatzes.

Stufe 4 ab Mitte 2024: Verbesserte Leistungen bei Vorsorge- oder Rehamaßnahmen der Pflegepersonen

§42a SGB XI “Versorgung Pflegebedürftiger bei Inanspruchnahme von Vorsorge- oder Rehabilitationsleistungen durch die Pflegeperson“ tritt zur Jahresmitte 2024 in Kraft.

 

Grundsätzlich gilt: Wenn sich eine Pflegeperson in einer Vorsorge- oder Rehamaßnahme befindet, soll künftig auch die pflegebedürftige Person adäquat versorgt werden. Die Versorgung findet entweder in der jeweiligen Kureinrichtung oder in einer für die vollstationäre Pflege zugelassenen Einrichtung am Ort der Leistungserbringung der Vorsorge-/Rehamaßnahme für die Pflegeperson statt. Die Kosten werden inklusive Unterkunft, Verpflegung und Investitionskosten entweder bis zur Höhe des durchschnittlichen Gesamtheimentgelts in der Kurzzeitpflege nach §87a oder bei vollstationärer Pflege bis zur Höhe der entsprechenden Vergütungsvereinbarung erstattet. Die Leistungen Pflegegeld und häusliche Pflegehilfe (Pflegesachleistung) ruhen während des Leistungsbezugs nach §42a SGB XI.

 

Bis zum 30. Juni 2024 besteht weiterhin die Möglichkeit, für die pflegebedürftige Person Leistungen der Kurzzeitpflege in der Kureinrichtung zu erstatten (§42 Abs. 4 SGB XI).

Stufe 5 ab Januar 2025: Dynamisierung aller Leistungsbeträge

Ab dem 1. Januar 2025 werden alle Leistungsbeträge dynamisiert – das bedeutet, alle im SGB XI in Euro benannten Beträge.

Die Steigerung beträgt für alle Leistungsbeträge 4,5 %. Die konkreten Höchstsätze werden vom Bundesministerium für Gesundheit im Bundesanzeiger bekannt gemacht.

Stufe 6 zur Jahresmitte 2025: Gemeinsamer Jahresbetrag für Verhinderungs- und Kurzzeitpflege

Ab dem 1. Juli 2025 wird der neue gemeinsame Jahresbetrag für Verhinderungs- und Kurzzeitpflege in Höhe von 3.539 Euro für die flexible Nutzung entweder für pflegebedingte Kosten der Kurzzeit- oder für die Verhinderungspflege eingeführt. Der bis dahin geltende §42a wird zu §42b SGB XI. Das neue Jahresbudget wird unterjährig eingeführt, was eine besondere Herausforderung für alle Versicherer ist.

 

Der Gesetzgeber regelt dazu, dass im ersten Halbjahr 2025 in Anspruch genommene Beträge zur Kurzzeit- und zur Verhinderungspflege im zweiten Halbjahr dem gemeinsamen Jahresbetrag gegengerechnet werden müssen. Die Änderung hat auch eine komplette Neuregelung des §39 SGB XI zur Verhinderungspflege zur Folge:

 

  • Die Verhinderungspflege kann nun für alle pflegebedürftigen Personen bis zu acht Wochen in Anspruch genommen werden.
  • Das Verhinderungspflegegeld steigt auf das Doppelte eines Pflegegeld-Monatshöchstsatzes.
  • Die sechsmonatige Wartezeit für die Verhinderungspflege entfällt generell.

Stufe 7 ab Januar 2028: Dynamisierung der Leistungsbeträge

Ab dem 1. Januar 2028 schließlich steigen alle in § 30 SGB XI geregelten Leistungsbeträge um einen berechneten, von der “Kerninflation” abhängigen Steigerungssatz.

Fazit

Wie die hier nur kurz skizzierten Stufen des PUEG zeigen, handelt es sich um eine ganze Reihe von Maßnahmen, die Versicherungsunternehmen vor Herausforderungen in der Regulierung stellen.

 

Auswirkungen wie beispielsweise die Erhöhung von Höchstsätzen lassen sich mit einer Standardsoftware schnell und einfach abbilden. Komplexere Anpassungen verbergen sich hinter den verkürzten Fristen für die Begutachtung, die parallel zur Regelfrist laufen und bei denen nun Fristhemmungen zum Tragen kommen. Die unterjährige Einführung des Ganzjahresbudgets Mitte 2025 und die Sonderregelungen für pflegebedürftige Personen unter 25 Jahren bei der Verhinderungspflege tragen zusätzlich zur Umsetzungskomplexität bei, denn von diesen Regelungen sind automatisierte Abrechnungsprozesse betroffen.

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