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Maschinelles Lernen in der Versicherungswirtschaft

Eines der großen Versprechen technologischer Innovationen liegt im Bereich der künstlichen Intelligenz und des maschinellen Lernens, mit dem unzählige Start-ups versuchen, „the next big thing“ in allen Bereichen der Gesellschaft zu entwickeln. In der Versicherungswirtschaft ist der Einsatz maschinellen Lernens in vielen Sektoren, etwa bei der Betrugserkennung, bereits etabliert. Im aktuariellen Kerngeschäft sind jedoch Herausforderungen zu bewältigen.

Genauigkeit und Erklärbarkeit

Genauigkeit ist die erste Herausforderung. Für Anwendungen wie Bilderkennung und Internetsuchen reicht eine statistische Vorhersagequalität von beispielsweise 99 Prozent aus. In der Versicherungsbranche, dort, wo sie einer strikten Regulierung unterliegt, ist das inakzeptabel.

Erklärbarkeit ist das zweite Thema. Das Ergebnis maschinellen Lernens können White-Box- oder Black-Box-Modelle sein. In Black-Box-Modellen ist der Mensch in der Regel nicht in der Lage, zu verstehen oder zu erklären, wie das Modell zu Ergebnissen kommt. Mangelnde Erklärbarkeit ist hinsichtlich der Einhaltung von regulatorischen Vorschriften in der Versicherungsbranche ein ernsthaftes Problem – beispielsweise bei der Berechnung von garantierten Prämien, Leistungen und Rückkaufswerten.

Zugleich verspricht der Einsatz von Künstlicher Intelligenz einen großen Nutzen und hilft, in einem wirtschaftlich herausfordernden Umfeld, teure und zeitintensive Aufgaben effizienter zu bewältigen.

Kann maschinelles Lernen für die Migration von Versicherungspolicen genutzt werden?

Die Modernisierung von Legacy Systemen im Lebensversicherungsgeschäft ist die dringendste Aufgabe, um wachsende Kundenerwartungen und regulatorische Anforderungen zu erfüllen sowie neue Geschäftsmodelle zu realisieren. Damit wird die Basis geschaffen, um die Chancen der Digitalisierung zu nutzen und die Kosten zu senken – und das in einem wirtschaftlich schwierigen Umfeld.

Migration bedeutet die Übertragung von Millionen von Versicherungsverträgen eines oder mehrerer Quellsysteme in ein Zielsystem inklusive der Reimplementierung versicherungsmathematischer Funktionalität zur Verwaltung der Verträge im Zielsystem. Eine  Migration bindet umfassende personelle Ressourcen im Aktuariat. Die Automatisierung von Migrationsprozessen entlastet das Aktuariat und sorgt so für mehr Freiraum zur Entwicklung innovativer Produkte und Geschäftsmodelle für das Neugeschäft.

Die einstige und die künftige Funktion

Um zu verstehen, wie Migration automatisiert werden kann, ist es notwendig, zunächst den konventionellen Prozess genauer zu betrachten. Bei der Migration von Versicherungsverträgen in ein neues System müssen die Datensätze übernommen werden. Auch die versicherungsmathematischen Funktionen, mit denen die Verträge über die Zeit verwaltet werden, müssen den zugrunde liegenden Geschäftsplänen und ursprünglichen Vereinbarungen mit dem Kunden entsprechen. Diese Funktionen können als mathematische Gleichungen verstanden werden, die eine Beziehung zwischen Inputvariablen und einer Outputvariable definieren, z. B. Versicherungsprämie, Rückstellungen, Leistungen, Rückkaufswerte.

Der komplexe und kostspielige Teil der Migration ist die Übertragung dieser Funktionen, da sie stark individualisiert sind. Bei der konventionellen Vorgehensweise mussten Aktuarinnen und Aktuare die Funktionen des alten Quellsystems finden, analysieren und versuchen, sie mit den Funktionen des neuen oder des Zielsystems abzugleichen. Liegt keine Übereinstimmung vor,  muss entweder eine Funktion aus dem neuen System angepasst oder eine neue Funktion erstellt werden. Dies ist angesichts von Millionen zu migrierender Verträge langwierig und verschlingt wertvolle Ressourcen.

Eine Schweizer-Taschenmesser-Lösung

msg insur:it arbeitet seit mehreren Jahren daran, eine tragfähige Lösung für die automatisierte Übertragung von versicherungstechnischen Funktionen zu entwickeln und anzubieten.

Eine der leistungsfähigsten Methoden ist die Verwendung von tiefen neuronalen Netzen, die allgemein als Goldstandard bei Machine-Learning-Modellen bezeichnet werden. Die Stärke tiefer neuronaler Netze liegt in der Fähigkeit, komplexe Funktionen zu approximieren, mit großen Datensätzen zu arbeiten und dynamisch zu lernen. Tiefe neuronale Netze sind Black-Box-Modelle, bei denen der Zusammenhang zwischen Input und Output nicht erklärt wird.

Symbolische Regression, ein White-Box-Modell, durchsucht dagegen den Raum aller möglichen Formeln zu gegebenen Operatoren und Grundfunktionen und bestimmt eine Formel, die am besten zu den Input- und Outputdaten passt. Als solche ist sie explizit erklärbar. Sie ist zwar nicht effizient mit sehr komplexen Gleichungen, kann aber oft für versicherungsmathematische Funktionen geeignet sein.

Neural Trees, die mit neuronalen Netzen verwandt sind, benutzen im Wesentlichen die Struktur von Logik- oder Entscheidungsbäumen, mit denen die meisten von uns vertraut sind. Ebenso wie die symbolische Regression eignen sie sich nicht für hochkomplexe Gleichungen, sind aber oft stark genug, um versicherungsmathematische Funktionen zu erfüllen. Sie sind deterministisch und damit auch erklärbar.

Der hybride Mix aus DNNs, symbolischer Regression und Neural Trees adressiert die Probleme der Erklärbarkeit und Genauigkeit situativ und angemessen. Für die Versicherungsbranche ist der Einsatz der genannten Methoden in den versicherungstechnischen Kernfunktionen ein echtes Novum. Im Rahmen eines laufenden, öffentlich geförderten Forschungsvorhabens TRAIL.X (TRustworthy Artificial Intelligence in Life Insurance) hat msg insur:it eine innovative Lösung für die Teil-Automatisierung von Migrationen entwickelt, die bereits in der Praxis eingesetzt wird.

Der Druck zur Modernisierung der IT-Systeme nimmt angesichts eines herausfordernden Umfelds weiter zu. Doch aufgrund der hohen Kosten und der langen Projektdauer schrecken viele Versicherer vor diesem Schritt zurück. Mit der Teil-Automatisierung von Migrationen bietet msg insur:it eine Technologie, um notwendige Konsolidierungsvorhaben zu vertretbaren Kosten anzugehen.