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Versicherungsvertrieb

Die Zukunft des Versicherungsvertriebs

Von Danny Wadewitz / 22. August 2023

„Hallo, Herr Kaiser“ – Sie erinnern sich? Mehr als vier Jahrzehnte lang (1972 – 2009) prägte die Werbefigur der Hamburg-Mannheimer (heute Ergo) das stereotype Bild des charmanten Versicherungsvertreters durch das regelmäßige Erscheinen auf den Bildschirmen deutscher Haushalte.

 

Herr Kaiser verkörperte den klassischen Vertreter, der seine Kunden in Versicherungsfragen direkt vor Ort persönlich berät und bereits von den Kindern auf der Straße erkannt wird. Er steht damit sinnbildlich für Nähe, langjährige Kundenbeziehung und den persönlichen Kundenkontakt.

 

Heute würde Herr Kaiser auf gänzlich neue Anforderungen stoßen, denn die Welt des Versicherungsvertriebs hat sich seitdem stark gewandelt – und wird es auch weiterhin tun. Doch wie genau wird sich seine Rolle verändern? Wie werden ihn neue Technologien und digitale Lösungen unterstützen – oder werden sie ihn gar ersetzen? In diesem Beitrag blicken wir auf die spannende Zukunft des Versicherungsvertriebs.

Der Kunde will Flexibilität – der Versicherungsvertrieb wird hybrid

Schon lange beschworen, aber bislang nicht eingetreten, ist die Annahme, der Vertrieb über einen Vermittler würde „aussterben“. Ein Blick in die aktuellen Vertriebswegestatistiken des Gesamtverbandes der Versicherer (GDV) zeigt, dass der Vertrieb über Vermittler nach wie vor über alle Sparten hinweg der dominierende Vertriebskanal ist. Das soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Gewichtungen verschieben und Elemente des Direkt- oder Onlinevertriebs sukzessive Einzug in die klassischen Vertriebswege halten. Die Grenzen verschwimmen und sind im Sinne des Kunden idealerweise gar nicht sicht- bzw. spürbar. Denn die Customer Journey heutiger Kunden ist hybrid: das heißt, Kunden wechseln je nach Anliegen den Kanal – oder möchten das zumindest tun. In der Praxis sieht es aber häufig noch ganz anders aus, hier sind umständliche Prozesse und ungewollte Medienbrüche oft eher die Regel als die Ausnahme. Was bleibt, sind unzufriedene Kunden, die sich nicht oder nicht gut genug abgeholt fühlen.

Vertriebswege-Statistik GDVNoch ist die Abwanderungsgefahr überschaubar, da sich potenzielle Versicherungsnehmende nach wie vor bei den meisten der traditionellen Versicherer mit derartigen Kundenerlebnissen konfrontiert sehen. Versicherer setzen nach wie vor stark auf klassische, stationäre Vertriebskanäle und trennen den Online-Vertrieb strikt von den übrigen Vertriebskanälen. Kunden müssen sich heute entscheiden: persönlicher Ansprechpartner oder Abwicklung im Self-Service über digitale Angebote wie beispielsweise Kundenportale. Diese Strategie werden die Versicherer jedoch nicht mehr lange aufrechterhalten können. Andere Branchen zeigen schon seit Jahren, wie eine hybride und gut verzahnte Customer Journey funktionieren kann und setzen Maßstäbe auch für die Assekuranz. Die neuen Digitalversicherer am Markt haben diese Lücke erkannt und sind mit einfachen digitalen, aber trotzdem persönlichen Prozessen Vorreiter für den kundenorientierten Vertrieb jenseits der analogen Welt.

Herr Kaiser nur noch als Bot? Versuche mit KI Chat-GPT

Der Digitalversicherer Lemonade hat es sich beispielsweise zur Aufgabe gemacht, den Abschluss von Versicherungen so einfach wie möglich zu machen. Und das kommt bei den Kunden sehr gut an: „@Lemonade_Inc war die einfachste Versicherung, die ich jemals abgeschlossen habe. „Traditionelle“ Versicherungsunternehmen müssen einen Schritt ins aktuelle Jahrhundert machen!!!“, wird ein Kunde auf der Webseite zitiert. Eine wichtige Rolle in diesem Prozess spielt Maya, ein Chat-Bot von Lemonade, der potenzielle Kundinnen und Kunden mit wenigen einfachen Fragen durch den Abschluss führt. Aber auch bei den etablierten Versicherern halten Chat- oder Sprachbots zunehmend Einzug in die digitale Customer Journey und bieten den Kunden die Möglichkeit, schnelle Antworten auf ihre Fragen zu Versicherungsprodukten zu erhalten.

 

Die Helvetia Schweiz hat laut Pressemitteilung vom 30. März 2023 sogar einen Chat-Bot im Einsatz, der die generative KI Chat-GPT nutzt, um Fragen zu beantworten. Noch hat der Service experimentellen Charakter, langfristig soll er aber den Zugang zu Versicherungs- und Vorsorgeprodukten vereinfachen. Um KI-basierte Chat- oder Sprachbots nicht nur für die Beantwortung von Kundenanfragen, sondern auch für die tatsächliche Beratung zu einem Versicherungsprodukt zu nutzen, sind noch Fragen zu klären hinsichtlich der Rechtskonformität der KI-Aussagen. Für die Nutzung von generativer KI wird es in naher Zukunft weitere spannende Use Cases geben. Sie wird den Vermittler nicht ersetzen, ihn aber wesentlich im Beratungsprozess unterstützen können.

Kundennähe heißt heute, da zu sein, wo der Kunde interagiert

Mit der Entwicklung zum hybriden Kunden ist ein weiterer Trend zu beobachten, der den Vertrieb der Zukunft verändern wird. Die Regionalität, bisheriger USP der klassischen Vertriebskanäle, verliert an Bedeutung. Nähe zum Kunden heißt künftig auch, auf deren Endgeräten verfügbar und vor allem präsent zu sein. Wenn Kunden nicht mehr in die Agentur oder die Vermittler nicht mehr zu ihnen nach Hause kommen, braucht es andere Wege, um veränderte Bedarfe und Lebenssituationen zu erkennen.

 

Betreuung heißt in Zukunft mehr denn je, die Kunden zu kennen, Kontaktanlässe zu identifizieren und so neue Bedarfe aufzudecken.

Know your Customer – 360 Grad Sicht auf den Kunden

Unabdingbar dafür sind die entsprechenden Informationen über die Kunden. In einer Studie von PwC und den Versicherungsforen Leipzig gaben 47 Prozent der befragten Versicherungsexperten an, nicht über genügend Daten zu verfügen, um individuelle Kundenerlebnisse zu schaffen (Quelle: PwC/Versicherungsforen Leipzig, Studie „Die Zukunft des Kundenmanagements“, 2020). Der Blick in die Praxis zeigt aber: die Versicherer verfügen bereits über zahlreiche Daten, sie werden jedoch nicht zusammengeführt und adäquat genutzt. Eine 360-Grad-Sicht auf die Kunden macht eine Verzahnung der Daten und Systeme notwendig. Eine zentrale Kundendatenbank, in der alle Informationen über die Kunden liegen und von allen Mitarbeitenden eingesehen werden können, ist das A und O für den Vertrieb von Morgen. Heute liegt diese Sicht in den Versicherungshäusern weitgehend noch nicht vor. Als relevante Herausforderung werden hier häufig heterogene Systemlandschaften angeführt.

Next-Best-Action-Konzept

Mit dem Wissen um die eigenen Kunden werden intelligente beratungs- und vertriebsunterstützende Lösungen, die dem Next-Best-Action-Konzept (NBA) folgen, immer besser und bieten sowohl dem Vertriebspartner als auch den vertriebsunterstützenden Einheiten eine echte Hilfe im Beratungsprozess. Dabei handelt es sich um einen Kommunikationsansatz, bei dem basierend auf der Analyse historischer Kundendaten mittels KI die “next best action”, also die nächste beste Handlungsoption für die jeweiligen Akteure ermittelt und vorgeschlagen wird. Die technische Unterstützung wird im Vertrieb eine wichtige Rolle spielen. Synchronisierte Informationen über die Kunden machen eine deutlich persönlichere Ansprache und Interaktion möglich – sowohl über Self-Service-Lösungen als auch über die persönlichen Ansprechpartner. Letztere können sich so stärker auf die individuelle Betreuung der Kunden konzentrieren und effizienter arbeiten. Vor dem Hintergrund zunehmender Nachwuchsprobleme in der Vermittlerschaft ist das eine wichtige Reaktion auf den bestehenden Fachkräftemangel im Vertrieb.

 

Nur die digitale Transformation allein genügt aber nicht, um sich den Herausforderungen der Zukunft zu stellen. Daneben müssen Versicherer auch an der Organisation arbeiten und bestehende Silos aufbrechen. Sie benötigen Strukturen, in denen Mitarbeitende aus verschiedenen wertschöpfenden Bereichen – wie Marketing, Vertrieb, Kundenservice und IT – eng zusammenarbeiten und Informationen teilen, um eine einheitliche Ausrichtung auf die Kundenerfahrung sicherzustellen. Alle Aktivitäten sollten daher zukünftig auf die Customer Journey und Kundenzufriedenheit einzahlen und nicht nur die Prozesse einzelner Abteilungen optimieren. Eine neue Welt für unseren Herrn Kaiser, in der er mit entsprechender Unterstützung durch kompetente IT-Partner mit ganzheitlichen Lösungsansätzen aber schnell Fuß fassen wird.

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