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Versicherungsvertrieb

Omnichannel: Kundenzentrierung durch nahtlose Customer Journey

Von Danny Wadewitz / 29. August 2023

Was haben Versicherer und der stationäre Einzelhandel gemeinsam? Beide stehen vor der Herausforderung, den Brückenschlag zwischen der Online- und Offline-Welt zu bewältigen, um zum einen den Kundenanforderungen gerecht zu werden und zum anderen durch den Effizienzgewinn, den der hybride Vertrieb verspricht, wettbewerbsfähig zu bleiben.

 

Im stationären Einzelhandel sind Trends wie Self-Scanning oder Click & Collect zu beobachten. Für die Kundinnen und Kunden versprechen diese Angebote vor allem Zeitersparnis, mit der Option auf persönliche Beratung durch die Mitarbeitenden vor Ort. Für den stationären Handel ergeben sich durch die Self-Service-Angebote positive Effekte, wie beispielsweise Mitarbeiterentlastungen und ein umfangreicher Datenschatz zum Einkaufsverhalten der Kundinnen und Kunden. Auf Basis dieser Daten kann der stationäre Handel den Warenkorb der Kundinnen und Kunden abbilden. Zudem bietet sich die Möglichkeit, zielgerichtet individuelle Produktempfehlungen, Gutscheine und Preisnachlässe zu gewähren.

 

Digital und persönlich schließen sich nicht aus

 

Die Parallelen zu Versicherungen liegen auf der Hand. Auch hier verschiebt sich das Bedürfnis der Kundinnen und Kunden zunehmend dahin, digital Verträge abzuschließen, einzusehen und sich digital gestützt beraten zu lassen. Die Vertriebswegestatistik des GDV* zeigt, dass der Anteil des Direktvertriebs in den letzten Jahren leicht steigt. In der Kraftfahrzeugversicherung lag der Anteil des Direktvertriebs 2021 bei 19,4 Prozent und bildet damit den höchsten Anteil über alle Sparten hinweg. Die persönliche Beratung, insbesondere bei beratungsintensiven Produkten wie Versicherungen, spielt also auch weiterhin eine zentrale Rolle.

 

Um auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen jedoch die Versicherer genauso wie der stationäre Handel neue Wege gehen. Insbesondere die jüngeren Generationen stellen neue Anforderungen an die Versicherer und unterscheiden sich stark im Kundenverhalten: Sie sind mit dem Internet und sozialen Medien groß geworden und informieren sich über diese Wege. Wer heute nicht online sichtbar ist, ist es auch für zukünftige Kundinnen und Kunden nicht. Spannend ist dabei, dass Vertrauen durch Bewertungen wie Likes, Rezensionen oder Influencerinnen und Influencer geschaffen wird. Wie kann es Versicherern nun gelingen, diese Kundengruppe zu erreichen und im Idealfall zu begeistern? Um das zu verstehen, schauen wir uns eine hypothetische Omnichannel-Kundenreise an.

 

Die Omnichannel-Kundenreise: So könnte sie aussehen

 

Auf seiner Kundenreise begleiten wir Jonas. Er ist 25 Jahre alt, hat gerade seinen Master in Germanistik abgeschlossen und steckt sein Erspartes seit seinem 16. Lebensjahr in ETFs. Man sollte meinen, dass jemand, der sich mit ETFs auskennt und hier schon beträchtlich angespart hat, sich auch mit Versicherungen auskennt – doch dem ist nicht so. Bislang haben ihm das seine Eltern abgenommen, doch jetzt wird es Zeit, sich selbst in Versicherungsfragen fit zu machen, zumal er gerade seine erste eigene Wohnung bezogen hat.

 

Auf einem TikTok-Kanal, dem Jonas folgt, betont der kanalbetreibende Versicherungsexperte, dass eine Haftpflichtversicherung eine wirklich wichtige Versicherung sei. Klingt für Jonas logisch, und schon recherchiert er online zum Versicherungsprodukt seiner Wahl. Das Ergebnis ist, dass das Produkt der Pfefferminzia das für Jonas geeignete Produkt zu sein scheint. Detaillierte Informationen zur Pfefferminzia-Haftpflicht erhält Jonas im ersten Schritt über Pfefferminzia-Chatbot Mia. Mit einem richtigen Menschen will Jonas aber auch sprechen, bevor er sich auf eine Versicherung festlegt. Für Mia ist das kein Problem, sie bietet ihm drei Möglichkeiten an:

 

  • chatten mit einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter der Pfefferminzia Versicherung,
  • telefonieren mit einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter der Pfefferminzia Versicherung oder
  • videochatten mit einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter der Pfefferminzia Versicherung.

 

Jonas entscheidet sich für den Videochat und wird mit Simone verbunden, die in der Pfefferminzia-Agentur seines Wohnortes arbeitet. Simone sieht auf einen Blick die Daten, die Jonas bereits Chatbot Mia mitgeteilt hat und klärt die letzten Fragen.

 

Jonas ist nunmehr überzeugt und will abschließen. Bei der Pfefferminzia hat man da die Qual der Wahl: Onlineabschluss, per Post oder bei Simone vor Ort bei einer Tasse Kaffee. Jonas wählt den unkomplizierten Onlineabschluss mit der papierlosen Kommunikation via E-Mail. Auf diesem Weg erhält er nicht nur seinen Versicherungsvertrag, sondern auch regelmäßige Eventeinladungen in Simones Agentur. Sechs Monate nach Vertragsabschluss nimmt er eine der Einladungen an und lernt Simone das erste Mal persönlich beim FinanzLearningSnack „Verunsichert und unterversichert“ kennen. Hier erfährt er, dass für ihn auch eine Berufsunfähigkeitsversicherung sinnvoll ist. Der TikToker hatte das auch gesagt, erinnert sich Jonas. Mit Simone klärt er vor Ort die wichtigsten Fragen, abschließen kann er dann in Ruhe zuhause, natürlich online. Und da er jetzt bereits zwei Versicherungen bei der Pfefferminzia abgeschlossen hat, lädt er sich deren App auf sein Handy, über die er seine Verträge einsehen und die persönlichen Daten verwalten kann.

 

Die Geschichte können wir hier noch weiterspielen, Jonas fährt in den Urlaub (Reiseversicherung), Jonas least über die Pfefferminzia-Mobilitätsplattform ein E-Bike (E-Bike-Versicherung), Jonas zieht in eine neue Wohnung (Hausratversicherung) etc. – Sie sehen, wo das hinführt?

 

Spillover-Effekte durch die Verzahnung der Kontaktkanäle

 

Ist eine Kundenreise, wie sie unser Protagonist Jonas erlebt, überhaupt möglich? Die Antwort lautet „Jein“. Die technologischen Möglichkeiten, die es braucht, um Jonas Reise so abzubilden, sind vorhanden. Chatbots und Sprachbots sind bei Versicherungen bereits im Einsatz. Und der volldigitalisierte Vertragsabschluss ist durch technologische Lösungen, wie beispielsweise die des Start-ups Nect, möglich – wie die Referenzen Huk, Nürnberger oder Alte Leipziger zeigen.

 

Die technischen Aspekte sind allerdings nur eine Seite der Medaille: Versicherungsunternehmen begegnen auch einer Menge rechtlicher Hürden, exemplarisch sei das VVG (Versicherungsvertragsgesetz) genannt, das seit 2008 auf demselben Stand geblieben ist und viele der heutigen Anwendungsfälle gar nicht abbildet. Da diese rechtlichen Rahmenbedingungen sehr umfangreich sind werden wir sie in einem gesonderten Blog-Beitrag betrachten.

 

Dagegen steht der 360-Grad-Kundensicht eigentlich nichts mehr Wege: So verkündete erst Ende letzten Jahres die Signal Iduna, eine zentrale Plattform für die spartenübergreifende Betreuung von Kunden und die Verknüpfung von Prozessen zu nutzen, um so eine 360-Grad-Sicht auf den Kunden zu erhalten. Die Generali arbeitet im Rahmen der “Life Time Partner 24: Driving Growth”-Strategie an Innovationen, um Kundenzentrierung am Point of Sale zu erzielen. So hat der Versicherer in Kooperation mit dem Start-up riskine eine Lösung entwickelt, die den Kundinnen und Kunden auf einen Blick das individuelle Risiko aufzeigt, den eigenen Versicherungsschutz transparent darstellt und individuelle Produktempfehlungen gibt. Basis für all diese Lösungen sind jedoch Daten, die gesammelt und zentral zusammengeführt werden müssen. Hierzu braucht es die Verzahnung von Online- und Offline, um Kundenwissen zu erhalten und optimal auf die individuellen Bedürfnisse reagieren zu können.

 

Die Hürden einer Neuausrichtung hin zu Omnichannel sind jedoch hoch: Es braucht eine Entwicklung weg von Kanaloptimierung hin zu Kundenzentrierung. Weiterhin müssen Agenturen und der Direktvertrieb an einem Strang ziehen und statt Konkurrenz ein Miteinander leben.

 

Wie die Hürde der Kanalkonkurrenz genommen wird, zeigt das Beispiel der Gothaer: Im Rahmen des Omnikanal-Modells des Versicherers werden der Digitalvertrieb und die digitale Sichtbarkeit der Gothaer Agenturen gestärkt. Zudem werden alle online gewonnenen Kunden einer Agentur zugeführt, was auf die persönliche Bindung und das Up- und Cross-Selling einzahlt. Auf dem diesjährigen Messekongress Kundenmanagement in Versicherungen stellte Carolin Jacobi, Leiterin Digitaler Endkundenvertrieb bei der Gothaer Versicherungsbank VVaG, das Modell vor. Sie betonte, dass es wichtig sei, den stationären Vertrieb von Anfang an mitzunehmen. Zudem gelte es, die Stellschrauben der digitalen Sichtbarkeit zu verstehen, um der Konkurrenz von Vergleichsplattformen wie Check 24 begegnen zu können. Um digital relevant und sichtbar zu bleiben, müsse man dazu bereits bei der Produktgestaltung ansetzen, so die Expertin. „Egal, wo ich abschließe, die Suche beginnt online“, betonte sie in ihrem Vortrag und beschrieb die Maßnahmen des Versicherers entlang der Customer Journey – von der Google-Suche, zum Vergleicher, zur Versicherer-Webseite bis zum Abschluss. Die Leitplanken sind dabei „datenbasierte Entscheidungen, eine skalierbare Software-Architektur und verhaltensökonomische Erkenntnisse“, so Jacobi.

 

Was es braucht, um die Omnichannel-Kundenreise zu ermöglichen

 

Die Gründe für eine mangelnde Omnichannel-Fähigkeit sind vielfältig: fehlende Daten und Erfassung der Interaktionspunkte, heterogene Daten und Systeme, fehlende Infrastruktur, um Daten in Echtzeit zu synchronisieren und auszuwerten sowie organisatorische Silos, um nur einige zu nennen.

 

  1. Es braucht Daten und technische Infrastruktur

Die Kundeninformationen an den Touchpoints werden noch viel zu häufig dezentral gespeichert, sofern sie überhaupt erfasst werden. Es braucht eine zentrale Kundendatenbank, in der aus verschiedenen Kanälen Informationen zusammengeführt werden und wo es möglich ist, Interaktionsanlässe zu identifizieren. Es lohnt sich, in eine gut durchdachte Datenstrategie zu investieren, um die Qualität und Verfügbarkeit von Kundendaten zu verbessern. An der Stelle darf nicht an der technischen Infrastruktur gespart werden. Diese sollte auf den Prüfstand gestellt werden, um mögliche Engpässe oder veraltete Systeme zu identifizieren.

 

  1. Es braucht eine übergreifende Omnichannel-Struktur und eine kundenzentrierte Unternehmenskultur

Für das Gelingen der Omnichannel-Kundenreise braucht es zudem eine übergreifende Omnichannel-Struktur, in der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus verschiedenen Abteilungen eng zusammenarbeiten und Informationen teilen. Mit der organisationalen Arbeit ist es jedoch nicht getan, denn auch kulturell ist ein Umdenken notwendig. Ohne eine kundenzentrierte Kultur, die Wert auf eine nahtlose Kundenerfahrung legt und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Gestaltung und Umsetzung einer Omnichannel-Strategie einbezieht, wird das Omnichannel-Projekt nicht gelingen. Regelmäßige Schulungen und Management Attention bilden die Leitplanken der Kundenreise.

 

Fazit

 

Eine Kundenreise, wie sie Jonas erlebt hat, ist technisch bereits heute möglich. Und im Hinblick auf die Erwartungen der nächsten Generation an Kunden muss sie zeitnah auch in der Realität erlebbar werden. Andere Branchen wie der stationäre Handel machen es vor – und auch die Versicherer, wie die Beispiele gezeigt haben, arbeiten an der eigenen Omnichannel-Vision. Was es braucht, um diese Vision umzusetzen, sind ein kundenzentriertes Mindset, eine zentrale Datenbasis, die auf die 360-Grad-Kundensicht einzahlt, die Anpassung rechtlicher Grundlagen, das Verstehen der Notwendigkeit digitaler Sichtbarkeit sowie das Verzahnen von Online und Offline im Sinne der Kundinnen und Kunden.

 

Quellen:

Erkenntnisse zur GenZ:  https://www.pwc.de/de/handel-und-konsumguter/so-tickt-die-generation-z.html

*GDV: Statistiken zur deutschen Versicherungswirtschaft 2022 („Statistisches Taschenbuch“) (gdv.de)

Fachblog für die Assekuranz: #Insights: Vertriebsmanagement in Versicherungen (versicherungsforen.net)

E-Commerce Magazin: Stationärer Handel: Wie sich dieser auf die Zukunft vorbereiten kann (e-commerce-magazin.de)

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