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Versicherungsvertrieb

Die Zukunft heißt Embedded Insurance

Von Danny Wadewitz / 9. November 2023

Versicherungen online über Partnerschaften und als Zusatzprodukt über andere Plattformen als die eigene anzubieten, wird zum Wettbewerbsvorteil für jede Versicherung, deren Produktportfolio dafür geeignet ist – denn der Bedarf an dieser sog. Embedded Insurance steigt. Das zeigt auch die Studie Europe Embedded Insurance Business and Investment Opportunities 2022: In dieser gaben zwei Drittel der Befragten an, dass ihr Wunsch nach einer Versicherung als Zusatzprodukt in den letzten zwei Jahren mittelmäßig stark (29 Prozent), stark (27 Prozent) oder sogar sehr stark (10 Prozent) gestiegen ist.

 

„Versicherungen sind längst keine Stand-Alone-Produkte mehr, sondern sind immer Teil eines Gesamtprozesses “, heißt es in einem Paper des Bitkom e.V., das sich mit Use Cases rund um Embedded Insurance auseinandersetzt. Dieser Satz zeigt sehr gut, dass Embedded Insurance kein Nischenthema mehr ist, sondern vielmehr eine strategische Notwendigkeit. Allerdings wird Embedded Insurance nach wie vor häufig nur als digitale Variante des sog. Annexvertriebs gesehen. Warum Embedded Insurance mehr ist als das und wie es gelingen kann, sich zukunftsfähig aufzustellen, diskutieren wir in diesem Beitrag.

Annex vs. Embedded Insurance

Mark Klein, CDO bei der ERGO Group, beschreibt Annex in dem Paper des Bitkom wie folgt: „Annex steht für: Man kauft ein Produkt, zum Beispiel ein Smartphone, und die Versicherung ist als »Anhängsel« in einem Vorgang direkt mit abschließbar. Das ist bequem und kundennah, denn der Kunde spart sich eine zweite Customer Journey.“ (ERGO 2023). Die Vorteile für die Versicherer liegen auf der Hand: sie können neue Kundengruppen erschließen und Versicherungen auf neuen Plattformen anbieten.

 

Im Gegensatz zur Annexversicherung, bei der die Versicherung ein separates Produkt darstellt, das optional hinzugebucht werden kann, ist der Gedanke hinter der Embedded Insurance die tiefe Integration in das Hauptprodukt. Die Versicherung ist fest in das Hauptprodukt eingebettet und wird, wenn man Embedded Insurance in einem engen Sinne meint, idealerweise automatisch und ohne großen Mehraufwand den Kunden bereitgestellt. Dadurch wird das Hauptprodukt und die Customer Journey der Partner bzw. der Händler angereichert. Passendes Beispiel ist hier die Kfz-Versicherungslösung von Tesla: Beim Kauf eines Teslas erhält man die hauseigene App, über die man sich registriert, das Auto konfiguriert und über ein Häkchen die Tesla-Kfz-Telematikversicherung dazu bucht. Es gibt keine Ausleitung außerhalb der App und die Kunden nehmen die Versicherung als Bestandteil des Autos wahr. Somit ist der Grad der Integration sehr hoch und sehr nah an der Customer Journey. Dies ist bis jetzt aktuell nur in den USA möglich, soll aber bald auch in Europa ausgerollt werden. Tesla plant, damit rund 30 Prozent des Umsatzes über Versicherungen zu generieren .

 

Es reicht jedoch nicht aus, die alten Produktstrukturen an neue Partner zu hängen. Bei Embedded Insurance geht es um die enge Zusammenarbeit mit den Händlern / der Plattform und um das gemeinsame Neudenken und Innovieren der eigenen Prozesse und Produkte. Versicherungen als integriertes „Zusatzprodukt“ anzubieten, trifft den Kundenbedarf: Eine Umfrage des Versicherungsmaklers Hepster ergab, dass 92 Prozent der Befragten das Angebot einer integrierten Versicherung während eines Online-Kaufs bereits aktiv wahrgenommen haben.

 

Die Customer Journey verschiebt sich bei Embedded Insurance von der Seite der Versicherer auf die Seite der Partner. Das hat Folgen, denn die Kunden nehmen das Produkt Versicherung als solches kaum noch wahr, sondern empfinden dies vielmehr als Zusatzservice. Das wirft die Frage auf, ob Versicherer zukünftig in eine reine Risikoträgerfunktion gedrängt werden.

Versicherer nur als Risikoträger?

Neben den genannten Vorteilen von Embedded Insurance, wie z.B. der neue Kundenzugang und neue Verkaufswege, schwingt auch immer etwas Negatives mit: Versicherer fürchten, dass sie in eine Abhängigkeitsrolle gedrängt werden und den Kontakt zu den Kunden verlieren. Je nachdem, wie tief die Integration der Versicherungsprodukte bei den Partnern ist, verliert der Versicherer wichtige Kontaktpunkte zur Kundenansprache und -betreuung. Insbesondere bei voll eingepreisten Embedded-Insurance-Lösungen ist das Versicherungsprodukt Bestandteil des Händlerproduktes und die Versicherer sind für die Kunden nicht mehr präsent. Erst im Schadensfall treten die Versicherer überhaupt auf und haben ihren ersten und einzigen Kundenkontakt. Das kann problematisch sein – wichtig ist hier der Aufbau strategischer Partnerschaften, in denen, wie bereits erwähnt, Produkte und Prozesse gemeinsam entwickelt und verbessert werden und alle Partner eine wichtige und sichere Rolle in der Kooperation einnehmen. Dann muss man einen Verlust der Kundenschnittstelle nicht mehr so sehr fürchten bzw. kann selbst auch neue Services bieten und Kontaktpunkte besser nutzen (mehr dazu im Abschnitt „Neue Konkurrenz = Neue Chancen).

Im Spannungsfeld von Individualisierung und Standarisierung

Wenn Versicherungsprodukte stark an das Kernprodukt oder die Kerndienstleistung der Partner angepasst werden müssen, kann dies zu einer Erosion der Gewinnmargen führen. Solche umfassenden Anpassungen verursachen zusätzliche Kosten, sei es durch individuelle Produktentwicklung, erhöhte Risikobewertungen oder durch spezielle Preisstrategien. Die Tatsache, dass sich Versicherer bei Embedded Insurance zunehmend in einer B-2-B-Rolle wiederfinden und die Partner den direkte Kundenkontakt pflegen, verleiht diesen zudem eine etwas stärkere Verhandlungsposition.

 

Die Lösung für das Problem könnte in der Standardisierung liegen, doch auch diese birgt Risiken: Versicherungsprodukte mit einem hohen Standardisierungsgrad werden austauschbar. Für die Unternehmen wird es somit schwieriger, sich von der Konkurrenz zu differenzieren. In einem Markt, in dem viele Anbieter ähnliche Versicherungsprodukte anbieten, kann dies zu einem Preiskampf führen, der wiederum die Margen beeinträchtigt. Sofern sich die Standardisierung auch auf die Partnerschnittstelle erweitert, erlaubt dies den Partnern theoretisch, die Versicherungspartner schnell auszutauschen.

 

Die Versicherer stehen folglich vor der Herausforderung, die richtige Balance zwischen Standardisierung und Individualisierung zu erreichen. Sie müssen standardisiert genug aufgestellt sein, um schlanke und schnelle Prozesse zu bieten und immer noch eine Gewinnspanne zu erhalten. Auf der anderen Seite müssen sie individuell genug sein, um einzigartig für die Partner zu bleiben. Diese Gratwanderung und enge und langfristige Kooperationen auf Augenhöhe sind das Rezept für erfolgreiche Embedded Insurance-Modelle.

Neue Konkurrenz = Neue Chance?

Neben den genannten Herausforderungen gibt es aber viele Chancen, insbesondere auch für den Vertrieb. Statt sich ausschließlich als Verkäufer zu sehen, können Vermittler ihr Rollenbild erweitern und sich als Risikomanager positionieren. Das bedeutet, dass sie nicht nur Versicherungsprodukte anbieten, sondern auch präventive Dienstleistungen und Beratungen zur Risikominderung. Auf diese Weise können sie beispielsweise Unternehmen dabei helfen, potenzielle Gefahren frühzeitig zu identifizieren und entsprechende Schutzmaßnahmen zu implementieren. Beim Angebot einer Cyberversicherung über Partner wird der Kundenkontakt durch einen Präventionscheck über spezialisierte Mitarbeitende in den eigenen Kanälen geschaffen. Gleichzeitig zahlt das Vorgehen auf eine risikomindernde Prävention ein und schafft einen Kundenkontakt, der außerhalb des Schadenfalls stattfindet.

 

Dieser erweiterte Ansatz kann Vermittlern helfen, einen stärkeren Mehrwert für ihre Kunden zu schaffen und ihre Position in der Wertschöpfungskette zu festigen. In einer digitalisierten Versicherungswelt, in der Produkte oft direkt eingebettet werden, könnte der Übergang vom reinen Verkäufer zum Risikomanager für Vermittler ein Schlüssel zum nachhaltigen Erfolg sein.

Gelebte Prozesse versus Kundenzentrierung

Zusätzlich angebotene Versicherungen gibt es schon sehr lange, sie sind keine digitale Neuerfindung. So gibt es Angebote, die als Massenkundengeschäft, aber wenig transparent und wenig service-orientiert funktionieren. Die Versicherung als Anhängsel an beispielsweise eine neue Brille oder ein technisches Gerät wird oft nicht weiter durch die Servicepartner erklärt, sodass viele Kunden nicht genau wissen, was diese Versicherung beinhaltet. Teilweise bieten solche Versicherungslösungen nur in den ersten Monaten einen tatsächlichen Versicherungsschutz. So reduzieren sich bei einigen Tarifen die Entschädigungen auf wenige Prozent der Anschaffungskosten und die Prämien übersteigen somit die maximale Entschädigung im Versicherungsfall. Durch eine fehlende Qualitätssicherung oder den Wegfall der Beratung zahlen Kunden oft jahrelang Versicherungsprämien, ohne durch diese Verträge tatsächlich abgesichert zu sein. Andere Absicherungen werden vom Kunden durch automatische Verlängerungen weiterbezahlt, obwohl es das versicherte Objekt nicht einmal mehr gibt.

 

Im Schadenfall tritt das Versicherungsunternehmen ins Bild – mit einer auf Kundenseite nicht als zufriedenstellend empfundenen Leistung.

 

In sozialen Medien verbreiten sich Negativerlebnisse überregionaler und schneller als vor der Digitalisierung. Dies kann bei Produkten mit niedriger Prämie zu einem überdurchschnittlichen Imageverlust führen.
Um nachhaltig positive Effekte bei Kunden zu erzielen, sollten Prozesse, Versicherungsprodukte und Beratungen einfacher und transparenter gestaltet werden.

 

So könnte eine Gesellschaft bzw. die Vermittler proaktiv auf Kunden zugehen, wenn der Versicherungsschutz nicht mehr sinnvoll gestaltet ist – zum einen gibt es eine Beratungspflicht und zum anderen sollten die Serviceleistungen „klassischen“ Produkten nicht nachstehen und die Kundenzentrierung ausgebaut werden, um positive Kundenerlebnisse zu generieren und Kundenbeziehungen zu festigen.

Fazit

Embedded Insurance ist mehr als Annexvertrieb. Embedded Insurance bedeutet Technologie, Kooperation, neue Produkte und das Loslassen von bekannten und bewährten Prozessen. Dem gefürchteten Verlust der Kundenschnittstelle kann sich der Vertrieb durch Services und Prävention entgegenstellen. Das ist auch dringend notwendig, um den Kundenkontakt nicht komplett aufzugeben. Gleichzeitig müssen sich die Versicherer einer Vielzahl an neuen Herausforderungen stellen: Die Produktlösungen sind am Ende nur so gut wie die Kooperationen zwischen dem Versicherer und den Partnern bzw. Händlern. Auch die Kundenzufriedenheit steigt durch die Transparenz. Zudem zeigt sich die Wettbewerbsfähigkeit der entwickelten Lösungen in der technischen Infrastruktur genauso wie in der Produktkonzeption. Sehr wichtig ist der Aspekt der Kundenzufriedenheit durch Transparenz im Angebot. Den Königsweg zwischen Standardisierung und Individualisierung zu finden, wird jedoch nicht einfach sein.

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