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Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeit in der Kompositversicherung: Der wachsende Einfluss von ESG-Kriterien bei der Produktgestaltung

Von Dominik Geller / 21. August 2024

Im Zuge eines globalen Bewusstseinswandels und von steigenden regulatorischen Anforderungen nehmen Umweltschutz, soziale Gerechtigkeit und verantwortungsvolle Unternehmensführung – die sogenannten ESG-Kriterien – eine zentrale Rolle in der Versicherungsbranche ein. Versicherer erkennen zunehmend, dass nachhaltiges Handeln nicht nur eine Reaktion auf regulatorische Anforderungen ist, sondern auch eine strategische Notwendigkeit darstellt, um langfristig erfolgreich zu sein.

 

Mit ihrem Geschäftsmodell haben Versicherer großen Einfluss auf diese drei Bereiche, setzen bereits viele Maßnahmen um und messen deren Erfolg. Darüber hinaus können sie ihre Kunden in ihren Nachhaltigkeitsbestrebungen unterstützen, indem sie Prävention fördern und somit Schäden vermeiden – oder Nachhaltigkeitskomponenten in ihre Produkte integrieren, um nachhaltiges Verhalten zu honorieren. Bei der Gestaltung von Versicherungsprodukten sind damit nicht nur wirtschaftliche Aspekte, sondern immer stärker auch soziale, umwelt- und governance-bezogene Faktoren zu berücksichtigen.

 

Die Produktgestaltung bietet Versicherern ein weites Feld für nachhaltige Ansätze. Der ESG-Report 2023 des Analysehauses Franke und Bornberg analysiert, wie und bei welchen Produkten sie davon Gebrauch machen. Am weitesten verbreitet sind ESG-Aspekte in der Lebensversicherung, wie wir im Beitrag „Nachhaltige Versicherungsprodukte bieten viel Potential“ bereits herausgestellt haben. Aber auch in der Kompositversicherung erweitern immer mehr Versicherer ihr Produktportfolio um Nachhaltigkeitskomponenten und folgen damit nicht nur regulatorischen Anforderungen, sondern auch den Erwartungen ihrer Kundinnen und Kunden.

Trends und Kundenerwartungen

In der aktuellen Produktlandschaft der Versicherungsbranche rückt das ökologische Element der ESG-Kriterien, das „E“ für Umwelt (englisch: Environment), verstärkt in den Fokus. Dieser Bereich ist für Kunden am deutlichsten wahrnehmbar und gewinnt zunehmend an Bedeutung, wenn es um die Auswahl von Dienstleistungen geht. Laut einer Studie von Simon Kucher ist es immerhin der Hälfte der 1.000 Befragten beim Abschluss einer Versicherung wichtig, dass das Versicherungsprodukt ESG-konform ist. In einer Studie der FH Dortmund zum Thema „Nachhaltigkeit und Versicherungen aus Kundensicht“ gaben sieben von zehn Befragten an, dass ihnen Nachhaltigkeit persönlich sehr wichtig sei, bei der Auswahl von Versicherungen achte aber nur etwa jeder fünfte Kunde auf Nachhaltigkeitsaspekte.

Die Studie kategorisiert die Befragten in vier Nachhaltigkeitstypen, basierend auf der Einstellung zu und ihrem Verhalten gegenüber nachhaltigem Konsum:

 

  • Nachhaltigkeits-Überzeugte (19,4%)
  • Nachhaltigkeits-Wohlwollende (33,9%)
  • Nachhaltigkeits-Skeptiker (40,7%)
  • Nachhaltigkeitsgegner (5,9%).

 

Interessanterweise beachten nur 57% der Überzeugten Nachhaltigkeit bei der Auswahl einer Versicherung, 77% würden sich aber für ein nachhaltigeres Produkt entscheiden, auch wenn es teurer ist (siehe Abbildung). Ein solches Gap ist auch bei den „Wohlwollenden“ erkennbar.


Abbildung 1: FH Dortmund, Nachhaltigkeit und Versicherungen aus Kundensicht

 

Nachhaltige Produktkonzepte noch nicht beim Kunden angekommen

Mit Blick auf diese Zahlen ist anzunehmen, dass vielen Kundinnen und Kunden der Zusammenhang zwischen Nachhaltigkeit und Versicherungen noch nicht bewusst ist und sie die Möglichkeiten noch nicht kennen. Sind die Angebote jedoch bekannt, entscheiden sie sich eher für nachhaltigere Produkte. Damit sind die Nachhaltigkeits-Überzeugten und -Wohlwollenden eine für Versicherer sehr relevante Zielgruppe mit viel Potential.

 

Versicherer stehen deshalb vor der Aufgabe, nicht nur nachhaltige Produkte und Services zu entwickeln, sondern diese auch aktiv und klar zu kommunizieren und zu vermarkten. Die Herausforderung besteht darin, das Bewusstsein und das Verständnis der Kunden für den Zusammenhang zwischen Nachhaltigkeit und Versicherungsoptionen zu schärfen, um so die Nachfrage nach nachhaltigen Versicherungsprodukten zu steigern. Denn anders als bei Anlageprodukten der privaten Lebensversicherung besteht auf Seiten der Vermittler (noch) keine Pflicht, nach Nachhaltigkeitspräferenzen zu beraten, sodass die Aufmerksamkeit auf anderen Wegen gestärkt werden muss.

Der aktuelle Stand in der Produktgestaltung

Doch welche Angebote gibt es bereits am Markt? Eine Analyse der Versicherungsforen Leipzig untersucht seit 2021 die Produktlandschaft der Versicherer nach Nachhaltigkeitsaspekten, wobei sich drei Schwerpunktzweige in der Kompositversicherung herauskristallisiert haben: Wohngebäude und Hausrat, Kfz/Fahrrad und Haftpflicht. Die Nachhaltigkeitskomponenten der Produkte zielen vorwiegend auf die ökologische Dimension ab. Im Folgenden geben wir einen Einblick in die angebotenen Leistungen.

 

Wohngebäudeversicherung: Ein zentraler Aspekt bei Produktneuerungen in der Wohngebäudeversicherung ist der Einsatz von nachhaltigen Materialien, die nach Schäden zur Wiederherstellung genutzt werden. Einige Versicherer bieten zudem CO2-Kompensationen nach Feuerschäden oder die Integration von umweltfreundlichen Technologien, wie zum Beispiel Solaranlagen und Wärmepumpen, in den Versicherungsschutz.

 

Darüber hinaus fördern einige Versicherer umweltfreundliche Sanierungen und übernehmen Kosten für energieeffiziente Modernisierungen. Innovative Präventionsmaßnahmen, wie frühzeitige Wetterwarnsysteme, beispielsweise angeboten von der Debeka, tragen zur Schadenminderung bei und ergänzen den wachsenden Fokus auf Nachhaltigkeit in der Wohngebäudeversicherung. Beratungen zu nachhaltigem Wiederaufbau und energetischer Sanierung unterstützen Kunden dabei, langfristig Energiekosten zu senken und den ökologischen Fußabdruck ihres Eigentums zu reduzieren.

 

Hausratversicherung: Verschiedene Versicherungsunternehmen haben auch ihre Hausratversicherungsprodukte um nachhaltige Bestandteile erweitert. Dies umfasst unter anderem, wie bei der Wohngebäudeversicherung, die Mehrleistung bei der Verwendung nachhaltig produzierter Ersatzprodukte sowie die Unterstützung von zertifizierten Klimaschutzprojekten. Versicherer wie die Concordia konzentrieren sich zudem auch auf die Förderung regionaler Unternehmen und übernehmen einen Teil der potenziell entstehenden Mehrkosten. Mit der verstärkten Nutzung von Balkonkraftwerken hat sich der Leistungsumfang der Hausratversicherung bei vielen Anbietern erweitert. Versicherer wie die VHV, die Nürnberger oder die Zurich sichern Stecker-Solaranlagen für Balkone im Rahmen der Hausratversicherung jetzt mit ab und unterstützen so deren stärkere Verbreitung.

 

Kfz-Versicherung: Einige Versicherer bieten Anreize für den Erwerb von Fahrzeugen mit alternativen Antriebsarten. Rabatte für Besitzer von E-Kennzeichen und Unterstützung bei Verspätungen im öffentlichen Nahverkehr sind ebenso Teil der nachhaltigen Produktgestaltung. So bietet beispielweise die ARAG denjenigen Schutzbriefkunden, die Besitzer eines Autos mit E-Kennzeichen oder Nutzer einer BahnCard bzw. Jahres- oder Monatskarte für den öffentlichen Nahverkehr sind, einen „Proklima-Vorteil“ mit fünf Prozent weniger Beitrag. Manche Versicherer bieten Programme an, die umweltfreundliches Verhalten belohnen und beispielsweise das Fahrverhalten bewerten – und bei nachhaltiger Fahrweise Belohnungen ermöglichen. Die HUK hat dazu ihre „Meine-Auto-App“ um neue Funktionen erweitert, die das umweltbewusste Fahren fördern sollen. Die Generali setzt mit ihrer App wiederum verstärkt auf Prävention, indem sie die Nutzer während der Fahrt vor Glatteis, Nebel oder Aquaplaning warnt. Ermöglicht wird das über eine Zusammenarbeit mit der Meteologix AG, welche Live-Wetterdaten und -prognosen übermittelt. Ein weiterer Nachhaltigkeitsansatz in der Kfz-Versicherung ist die Unterstützung von Carsharing-Modellen, die die Fahrzeuganzahl im öffentlichen Raum reduzieren sollen. Die Zurich beispielsweise kooperiert seit 2022 mit dem Car-Sharing-Anbieter ViveLaCar und stellt die im Abo-Preis enthaltene Versicherungskomponente bereit, inklusive einem individuell für das Modell entwickelten Schutzbrief.

Fazit: Potenzial für Nachhaltigkeit in Kompositprodukten

Versicherungsunternehmen stehen vor der Aufgabe, ihre Produkte nicht nur nachhaltig zu gestalten, sondern auch die Vorteile dieser Produkte aktiv zu kommunizieren und zu vermarkten. Der Bedarf und das Interesse seitens der Kunden sind vorhanden, jedoch fehlt es oft noch an Bewusstsein und Kenntnis über nachhaltige Versicherungsoptionen. Versicherer, die es schaffen, ihre nachhaltigen Produkte effektiv zu präsentieren und die Kunden über deren Mehrwert aufzuklären, werden nicht nur zur ökologischen und sozialen Verbesserung beitragen, sondern auch wirtschaftlich profitieren.

 

Eine große Rolle im Kontext der nachhaltigen Produktentwicklung nehmen Präventionsmaßnahmen ein. Sie sorgen dafür, dass Schäden und daraus entstehende aufwändige Reparaturen oder Neubeschaffungen gar nicht erst entstehen. Das ist nicht nur aus Nachhaltigkeits- und Kostengründen erstrebenswert, sondern gibt Versicherern die Gelegenheit, sich als alltagsnaher Dienstleister zu positionieren, der mehr bietet als die reine Kostenerstattung im Schadensfall.

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