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Neue Betriebsrente

Karenzzeit – Rentenzahlungen nach einer Kürzung

Von Stefan Nörtemann / 27. Juni 2018

In mehreren Beiträgen in diesem Blog haben wir das Thema „Rentenkürzung“ erörtert. Konkret haben wir die Bedingungen (Kapitaldeckungsgrad kleiner als 100 %) erläutert unter denen eine Rentenkürzung vorgenommen werden muss sowie die Einflussfaktoren auf den Kapitaldeckungsgrad besprochen.

Zudem haben wir die Häufigkeit von Rentenkürzungen in Modellrechnungen quantifiziert und die Wirkungsweise von Sicherungsinstrumenten zur Verminderung der relativen Häufigkeit von Rentenkürzungen analysiert.

Hierbei ging es stets um die Frage nach dem Anlass für die Kürzung und um die Höhe der Kürzung, nicht aber um den Verlauf der Rentenzahlungen nach der Kürzung. Klar ist, dass eine Rentenkürzung sofort durchzuführen ist, wenn der Kapitaldeckungsgrad unter 100 % fällt. Klar ist auch, dass mit der Rentenkürzung der Kapitaldeckungsgrad wieder über 100 % anzuheben ist. Es ist aber nirgends festgelegt, dass die nächsten anstehenden Zahlungen abzusenken sind.

Karenzzeit

Im Gegenteil: In der EbAV-II-Richtlinie, Richtlinie (EU) 2016/2341 des europäischen Parlaments und des Rates, vom 14. Dezember 2016, über die Tätigkeiten und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (EbAV) finden wir in Artikel 43 (2) folgende Formulierung:
„Die Leistungsempfänger werden von den EbAV unverzüglich nach einem endgültigen Beschluss, der zu einer Kürzung der den Leistungsempfängern zustehenden Versorgungsleistungen führt, sowie drei Monate vor Umsetzung des Beschlusses informiert.“

Die EbAV-II-Richtlinie ist in Deutschland für Pensionskassen und Pensionsfonds anzuwenden. Und der zitierte Teil bezieht sich auf die Informationspflichten an den Leistungsempfänger, also an den Rentner.

Müssen also Renten einer reinen Beitragszusage (rBZ) gekürzt werden, so kann der Informationsanforderung aus der EbAV-II-Richtlinie durch die Einführung einer Karenzzeit von zumindest drei Monaten genügt werden. Während dieser Zeit bleiben die Rentenzahlungen auch bei einer Rentenkürzung ihrer Höhe nach unverändert. Die Zahlungen nach Ende dieser Zeit werden geeignet abgesenkt.

Von den Sozialpartnern oder der durchführenden Einrichtung können jedoch auch längere Karenzzeiten festgelegt werden.

Kapitaldeckungsgrad

Wichtig ist, dass der Kapitaldeckungsgrad durch die Rentenkürzung sofort die 100 %-Grenze wieder übersteigt, auch wenn erst spätere Rentenzahlungen abgesenkt werden. Dazu muss die Absenkung sofort festgelegt und in die Berechnung des Kapitaldeckungsgrades einbezogen werden.
Aus aktuarieller Sicht stellt dies kein Problem dar, denn die Karenzzeit kann in die Berechnung der Barwerte für die angepassten Rentenleistungen eingerechnet werden. Oder – anders formuliert – die Karenzeit kann bei der Berechnung der Höhe der Rentenkürzung berücksichtigt werden. In der Praxis muss der Barwert der künftigen Leistungen für jeden Rentner in zwei Teilbarwerte (einen für die Karenzzeit und einen für Zeit danach) aufgeteilt und daraus die prozentuale Kürzung für das gesamte Rentnerkollektiv abgeleitet werden.

Wir können die Frage stellen: Wie weit unterscheiden sich die Rentenzahlungen bei einer Absenkung mit Karenzzeit von den Rentenzahlungen bei einer Absenkung ohne Karenzzeit? In Modellrechnungen mit einer Karenzzeit von 3 Monaten ergeben sich beim Vergleich der Zahlungen nur geringe Unterschiede im Promille-Bereich.

Eine andere Frage: Ist die gleichmäßige Absenkung nach der Karenzzeit sachgerecht, obwohl die Aufteilung in die zwei Teilbarwerte von den spezifischen Personendaten abhängt? Bei einer individuellen Berechnung ist das Verhältnis von der Länge der Karenzzeit zur erwarteten Restlebensdauer entscheidend. Bei einer Karenzzeit von nur wenigen Monaten ist der Unterschied zu einer einzelvertraglichen konstruktiven Neuberechnung nicht allzu groß.

Dauer der Karenzzeit

Bei der Festlegung der Karenzzeit ist darauf zu achten, den Zweck der Rentenkürzung nicht zu „unterlaufen“. Bei einer zu lang gewählten Karenzzeit wird die Finanzaufsicht sicher Einspruch erheben. Hinzu kommt die Problematik, dass es (bei längerer Karenzzeit häufiger) vorkommen kann, dass während dieser Zeit weitere Rentenanpassungen (Kürzungen oder Erhöhungen) notwendig werden. Und dann wird es aktuariell kompliziert. Wenn wir aber von einer Karenzzeit kleiner als 12 Monate sowie einer planmäßig jährlichen Überprüfungen des Kapitaldeckungsgrades ausgehen, kann eine Anpassung innerhalb dieser Zeit nur aufgrund einer außerplanmäßigen Überprüfung erfolgen.
Im Ergebnis stellen wir fest, dass die Karenzzeit ein wichtiges, aber bislang wenig diskutiertes Thema ist.

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