Gute Gründe für ein kollektives Sparmodell
Bevor ich zu dem eigentlichen Thema komme, ein Zitat aus der Motivation des Gesetzentwurfes: „… Betriebsrenten sind noch nicht ausreichend verbreitet. Besonders in kleinen Unternehmen und bei Beschäftigten mit niedrigem Einkommen bestehen Lücken. Deshalb sind weitere Anstrengungen und auch neue Wege notwendig, um eine möglichst weite Verbreitung … zu erreichen.“
Die Frage, ob und in welcher Form ein kollektives Modell für den Sparprozess und das Langlebigkeitsrisiko angewendet werden kann, ist meines Erachtens entscheidend für das Erreichen der im Gesetzentwurf selbst gesteckten Ziele. Nimmt man das Garantieverbot auf der einen Seite und stellt diesem die Anforderung nach einer lebenslangen Zahlung mit beschränkter Volatilität gegenüber, so erscheint klar, dass dies in einem kollektiven Modell besonders gut erreicht werden kann. Dies gilt insbesondere für Arbeitnehmer mit niedrigen Einkommen.
Im Idealfall nutzt der kollektive Ansatz gleich mehrere Methoden, um sich entscheidend gegen unterschiedliche Risiken in der langfristigen kapitalgedeckten Altersvorsorge abzusichern.
a) Die Rentenhöhe muss erst dann angepasst werden, wenn der Kapitaldeckungsgrad den im Gesetzentwurf festgelegten Korridor [100 %, 125 %] verlässt (nach § 38)
Damit ist im Gesetzentwurf bereits eine Methode zur Beschränkung der Volatilität vorgesehen. Bei starken Schwankungen an den Kapitalmärkten und/oder dem Langlebigkeitsrisiko ist dieser Korridor aus heutiger Sicht nicht ausreichend, um eine nachhaltige Beschränkung der Volatilität sicherzustellen.
b) Die Möglichkeit, bei der Bestimmung der anfänglichen Höhe der Rente einen vorsichtigeren Zins zu wählen (nach § 37)
Bei jedem Übergang in das Rentnerkollektiv kann ein zusätzlicher Puffer aufgebaut werden. Ein guter (und gesetzeskonformer) Vorschlag in diesem Kontext ist die Festlegung der Rente auf einem Niveau, das den Kapitaldeckungsgrad erhält.
c) Sicherungsbeiträge des Arbeitgebers (nach § 23)
Diese werden als kollektiver Puffer geführt und bei der Bestimmung des Kapitaldeckungsgrades berücksichtigt. Damit ist auch sichergestellt, dass bei positivem Verlauf, die Mittel zeitnah an die Arbeitnehmer ausgeschüttet werden. Glücklicherweise ist der Gesetzgeber den Vorschlägen aus der Branche gefolgt und hat heute § 35 durch einen dritten Absatz ergänzt, der explizit eine kollektive Deckungsrückstellung aus Sicherungsbeiträgen vorsieht.
d) Glättung der Erträge im Kollektiv
In unterschiedlichen Konstellationen könnten die bereits erwähnten Methoden kollektive Puffer zur Beschränkung der Volatilität zu bilden aus Sicht der Tarifvertragsparteien nicht ausreichen oder entfallen (z.B. wenn die Arbeitgeber keine Sicherungsbeiträge leisten). Für diese Fälle stehen zusätzliche Verfahren bereit, die die o.g. ergänzen oder ersetzen können. Vielversprechend sind Ansätze zur Glättung der Erträge im Kollektiv. Diese werden im Ausland auch bereits erfolgreich eingesetzt („Collective Defined Contribution“ oder „Shared Risk Schemes“). Beispielhaft sei hier der Artikel von Prof. Goecke erwähnt [Collective Defined Contribution Plans – Backtesting based on German capital market data 1955 – 2015, Forschung am IVW Köln – Band 5 / 2016, Oskar Goecke]. Alternativ können auch bekannte finanzmathematische Ansätze – z.B. (i)CPPI – angewendet werden. Letzteres kann sowohl individuell als auch kollektiv genutzt werden. Auch hier hat der Gesetzgeber heute nachgeholfen und den § 35 Absatz 1 durch eine kollektive Reservebildungsmöglichkeit ergänzt.
Am Schluss sei noch erwähnt, dass die Nutzung kollektiver Instrumente in unterschiedlichen Tarifverträgen auch verschieden gehandhabt werden kann. Dies kann sogar im zeitlichen Verlauf eines Vertrages notwendig sein. Oder es kann eine Differenzierung zwischen Versorgungsanwärtern und Leistungsempfängern sinnvoll sein.
Auch die Vermögensanlage an sich kann natürlich wesentlich zur Dämpfung der Volatilität beitragen. Es wäre allerdings schade, wenn die flexiblen Anlagemöglichkeiten und die erzielbaren Renditen durch eine sehr restriktive Anlagepolitik zunichte gemacht würden.
Insgesamt erscheinen mir die dargestellten Möglichkeiten ein sehr interessantes Modell für die Lebensversicherer anzubieten. Auch ohne Garantien – z.B. indem man den Begriff der Garantie durch Sicherheit ersetzt – geht es hier doch um sichere langfristige kapitalgedeckte Altersvorsorge und auch um das Thema Langlebigkeit. Hier sind die Lebensversicherer sehr gut aufgestellt im Wettbewerb, insbesondere durch die hier dargestellten kollektiven Puffer kann das Prinzip der Streuung im Kollektiv und in der Zeit zur Entfaltung kommen. Die reine Beitragszusage in der hier dargestellten Form bietet in diesem Zusammenhang eine echte Chance!