Deutsche Versicherer streben nach China – Chinesische Anbieter nehmen Europa ins Visier
In der Studie „China Insurtech“ untersuchten die Analysten von Oliver Wyman den dortigen Insurtech-Markt. Dabei unterteilten die Experten den Markt in drei Segmente:
- Unternehmen, die sich auf den Online-Vertrieb konzentrieren, d.h. auf den Verkauf klassischer Produkte online oder mobil. In diesem Bereich sind vor allem traditionelle Versicherer aktiv, auch große Online-Plattformen wie Taobao, Tmall oder JD.com.
- Unternehmen, die mit Hilfe digitaler Technologien wie Cloud Computing, Big Data, Internet der Dinge oder Künstliche Intelligenz klassische Produkte aufwerten. Dabei handelt es sich z.B. um Telematik-Tarife für KfZ-Versicherungen oder Vitality-Tarife. So bietet Zhong An die Versicherung von schweren Krankheiten auf Basis von Daten aus sogenannten Wearables. In diesem Segment sind neben traditionellen Versicherern Unternehmen unterwegs, die große Datenmengen sammeln, verwalten und intelligent analysieren können.
- Unternehmen, die Geschäftsmodelle und Innovationen entwickeln, die sich an digitalen Ökosystemen orientieren. So verkauft die Versicherungsgruppe Ping An über die Plattform 58 Daojia. Dieser Anbieter von häuslichen Dienstleistungen wie Reinigung, Babysitten oder Schönheitspflege bietet Versicherungen gegen Schäden an Geräten, die durch Haushaltsangestellte verursacht werden.
Chinesische Versicherer – Wachstum durch Ökosysteme und E-Commerce-Plattformen
Das größte Potential sehen die Analysten im dritten Segment. Sie gehen davon aus, dass dieser Markt von 1,8 Milliarden Dollar in 2015 auf 31 Milliarden Dollar in 2020 steigen wird. Dabei werde das Wachstum vor allem über E-Commerce-Plattformen wie Tmall oder JD.com sowie digitale Ökosysteme rund um das Reisen angetrieben. Die Vorteile von Produkten, die sich in digitale Ökosysteme einbinden lassen, liegen auf der Hand. Über solche Systeme können Millionen von Menschen erreicht werden. Außerdem generieren digitale Ökosysteme umfassende Kundendaten, die intelligent ausgewertet, wertvolle Einblicke in das Verhalten des Kunden ermöglichen. Damit wiederum lässt sich ein höherer Automatisierungsgrad realisieren, speziell auf das digitale Ökosystem zugeschnittene Produkte entwickeln und optimale Preismodelle gestalten.
Allianz und Axa streben nach China
Einige europäische Versicherer haben das Potential des chinesischen Marktes erkannt und nutzen die erst kürzlich eingeleitete Liberalisierung des chinesischen Finanz- und Versicherungssektors. Im April 2018 hatte die chinesische Regierung angekündigt, dass ausländische Lebensversicherer bis zu 51 Prozent der Anteile an Joint-Ventures mit chinesischen Partnern erwerben dürfen. Bislang lag die Grenze bei 50 Prozent. Innerhalb von drei Jahren soll die Kapitalbeschränkung komplett wegfallen.
Als erster ausländischer Versicherer erhielt die Allianz im November 2018 die Genehmigung der China Banking and Insurance Regulatory Commission (CBIRC) für die Gründung einer Holding, an der kein chinesisches Unternehmen beteiligt ist. „Das ist ein signifikanter Meilenstein, um unsere Präsenz in diesem strategischen Markt auszubauen“, sagt Oliver Bäte, Vorstandsvorsitzender und CEO der Allianz Gruppe. Die Allianz werde von dem Wachstum des chinesischen Markts profitieren, der in den nächsten zehn Jahren um rund 14 Prozent wachsen soll.
Außerdem vereinbarte die Allianz ein Abkommen über eine Partnerschaft für digitale Versicherungen mit dem chinesischen E-Commerce-Anbieter JD.com, wie das Handelsblatt im Juli 2018 berichtete. JD.com erzielte in 2017 einen Umsatz von knapp 56 Milliarden Dollar und gehört neben dem Konkurrenten Alibaba zu den größten Online-Händlern Chinas.
Der französische Versicherungskonzern AXA setzt ebenfalls verstärkt auf das Reich der Mitte. Im November kündigte AXA an, die restlichen Anteile an dem Gemeinschaftsunternehmen AXA Tianping von den chinesischen Partnern zu erwerben. Der Deal muss noch von den chinesischen Regulierungsbehörden abgesegnet werden. Nach eigenen Angaben ist AXA Tianping in 20 Provinzen mit 25 Niederlassungen und 93 Zweigstellen vertreten. Im Segment der Gebäude und Unfallversicherung ist das Unternehmen die Nummer 15 in China.
Ping An investiert in den deutschen Markt
Umgekehrt nehmen chinesische Versicherer wie Ping An Europa ins Visier. Mit dem ersten Investment in Kontinentaleuropa hat das Unternehmen keinen etablierten Versicherer ausgewählt, sondern ein Startup. Der Ping An Global Voyager Fund, ein von Ping An gegründeter Fonds für internationale Investments, beteiligt sich mit über 40 Millionen Dollar an dem Berliner Insurtech Finleap und erwirbt damit einen Anteil von 15 Prozent. An Finleap ist auch Hannover Rück und Signal Iduna beteiligt.
Donald Lacey, COO von Ping An Global Voyager Fund, sieht großes Potential in Europas immenser Finanzdienstleistungsbranche, die die Hilfe von Startups wie Finleap brauchen, um Neuerungen einzuführen. „Unser Anspruch ist es, die Entwicklung neuer Portfolio-Unternehmen in ganz in Europa zu beschleunigen, indem wir die umfangreichen Technologien von Ping An, insbesondere aus den Bereichen Künstliche Intelligenz und Blockchain einbringen,“ kommentiert Lacey. Der Fonds investiert massiv in innovative digitale Technologien und Künstliche Intelligenz, vor allem in den Bereichen Banking, Versicherung und Gesundheit. Ping An erwirtschaftete im ersten Halbjahr 2018 einen Umsatz von rund 85 Milliarden Dollar und zählt mit rund 182 Millionen Kunden zu den größten Versicherungsunternehmen weltweit.
Experten bringen das Erfolgsrezept chinesischer Online-Versicherer auf den Punkt: ein tiefes Verständnis der Kundenbedürfnisse, der konsequente Aufbau von digitalen Ökosystemen sowie hervorragende und zugleich außergewöhnliche Serviceleistungen.