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Neue Betriebsrente

BRSG ist ein starker Impuls für die bAV

Von Michaela Duhr / 9. Juni 2017

Trotz des umstrittenen Garantieverzichts kann das Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) eine positive Entwicklung der betrieblichen Altersvorsorge (bAV) in Gang setzen, meinen Experten. Wir sprachen mit Axel Helmert, Geschäftsführer bei msg life central europe, und Christian Weber, Experte für Lebensversicherungen bei msg life, über neue Chancen und Herausforderungen für die Versicherungsbranche.

Die Bundesregierung hat eine neue gesetzliche Grundlage für die betriebliche Altersvorsorge geschaffen. Mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz, kurz BRSG, sollen Betriebsrenten für kleine und mittlere Unternehmen sowie für Geringverdiener attraktiver werden. Welche Konsequenzen hat das Gesetz für die Versicherungsbranche?

Axel Helmert: Der Versicherungsbranche bieten sich durch das Gesetz neue Chancen, ihre langjährige Erfahrung und ihr Know-how auf dem Gebiet der kapitalgedeckten Altersvorsorge in zusätzliches Geschäft umzusetzen. Dazu müssen sie die im BRSG enthaltenen Herausforderungen annehmen und attraktive, kostengünstige und einfache Lösungen anbieten. Die ersten Reaktionen zeigen ja schon, dass sich in der Branche eine neue Dynamik entwickelt. Das Gesetz könnte der Auftakt sein zu einer längeren positiven Entwicklung der bAV in Deutschland.

Christian Weber: Auch ich bin der Ansicht, dass das BRSG ein starker und richtiger Impuls ist. Das Gesetz kann ein großer Schritt sein zur weiteren Verbreitung von Betriebsrenten in Deutschland. Der Markt für betriebliche Altersvorsorge wird dadurch größer.

Erstmals in der Geschichte der betrieblichen Altersvorsorge verzichtet der Gesetzgeber auf Garantiezusagen. Das sorgte im Vorfeld für erhebliche Kontroversen. Fachleute sprechen von einem Paradigmenwechsel. Halten Sie den Verzicht auf Garantien für kontraproduktiv oder sehen Sie darin eine neue Chance für bAV-Anbieter?

Axel Helmert: Genaugenommen wird nicht nur auf Garantien verzichtet, sie sind sogar ausdrücklich verboten. Wir betrachten das eher als eine Chance und mit Blick auf die derzeitigen Rahmenbedingungen wie Niedrigzinsphase, Eigenkapitalanforderungen bzw. Haftungsfragen oder die demografische Entwicklung als eine interessante Ergänzung zu den bestehenden Modellen. Im Übrigen sind ähnliche Modelle im europäischen Ausland bereits erfolgreich im Einsatz. Aus diesem Ansatz könnte sich eine neue Produktklasse entwickeln, die in der betrieblichen Altersvorsorge und in allen anderen steuerlichen Schichten erfolgreich sein kann.

Christian Weber: Auch ich betrachte das Garantieverbot als Chance für die Versicherungsunternehmen unter den bAV-Anbietern. Damit können bei der reinen Beitragszusage durchgängig ertragreichere Veranlagungsstrategien eingesetzt und im Kollektiv abgesichert werden.

Stichwort: Beitragszusage: Im Rahmen des Sozialpartnermodells müssen Arbeitgeber nur noch eine reine Beitragszusage geben. Der Arbeitgeber haftet damit nicht mehr für spätere Rentenzahlungen. Können Arbeitnehmer dennoch mit einer guten Absicherung im Alter rechnen?

Axel Helmert: Ja, das Gesetz enthält viele Regelungen, die auf eine sichere Anlage mit beschränkter Volatilität abzielen. Im Spannungsfeld zwischen Rendite und Sicherheit ist der Verzicht auf nominale absolute Garantien vielleicht sogar der bessere Weg. Der Erfolg des Modells hängt natürlich von mehreren Faktoren ab: Erstens von der Umsetzung durch die Tarifvertragsparteien. Zweitens vom Asset Management des Versorgungsträgers und nicht zuletzt von kostengünstigen und flexiblen Verwaltungssystemen, die auch moderne, automatisierte und digitale Kommunikationsmittel einschließen.

Christian Weber: Der Wegfall der Arbeitgeberhaftung und die damit einhergehende bessere Kalkulierbarkeit der Kosten, ist eine zentrale Maßnahme zur Stärkung der bAV in kleinen und mittleren Unternehmen. Das hat auch Auswirkungen auf die Veranlagungsmöglichkeiten. Hier komme ich noch einmal auf das Garantieverbot zu sprechen. Untersuchungen zeigen, dass Produkte mit Garantie im aktuellen Zinsumfeld hinsichtlich entgangener Erträge sehr teuer sind im Vergleich zu Produkten ohne Garantie. Die Haftung der Arbeitgeber ist in Bezug auf die Veranlagungsmöglichkeiten durchaus mit einer Garantie vergleichbar.

Der Verzicht auf Garantien ermöglicht riskantere Anlagestrategien und damit höhere Renditen. Zugleich sind die Arbeitnehmer selbst in der Rentenphase dem Auf und Ab der Kapitalmärkte ausgesetzt. Wie können die Schwankungen an den Kapitalmärkten abgemildert werden?

Christian Weber: Ziel der Anlagestrategien sind gute und gleichmäßige Erträge. Dies wird durch eine verstärkte Veranlagung in breit gestreuten Aktienportfolios und Sicherheitsmechanismen zur Dämpfung von Schwankungen erreicht. Für die Rentenphase wird zum Beispiel anhand des Kapitaldeckungsgrades (KDG) entschieden, ob Rentenleistungen erhöht oder abgesenkt werden müssen. Kursschwankungen verändern zwar den KDG, sie haben aber möglicherweise keine Auswirkung auf die Rentenhöhe. Die Rentenleistung muss nur dann angepasst werden, wenn die vorhandenen Mittel einen im Gesetz definierten Korridor verlassen. Als weiteres Mittel können Sicherungspuffer eingesetzt werden, um zu verhindern, dass die Rentenleistung abgesenkt werden muss.

Axel Helmert: Bei all diesen Modellen kann die Versicherungsbranche auf Jahrzehnte lange Erfahrung zurückgreifen. Vor allem, weil das Gesetz jetzt auch kollektive Sparmodelle zulässt. Zudem sollen Arbeitgeber Sicherungsbeiträge leisten, die ausschließlich dem Zweck der Dämpfung von Schwankungen gewidmet sind. Darüber hinaus können die Tarifvertragsparteien zusätzliche Verfahren vereinbaren, z.B. eine Glättung der Erträge im Kollektiv und in der Zeit.

Welche Herausforderungen stellt das Gesetz an die Produktgestaltung in der bAV?

Axel Helmert: Die Produktgestaltung hängt sehr stark davon ab, was die Tarifvertragsparteien vereinbaren. Der Gesetzgeber hat hier ganz bewusst Spielraum geschaffen. Grundsätzlich müssen dabei mehrere Aspekte betrachtet werden wie z.B. die bereits erwähnten individuellen oder kollektiven Sparmodelle. Zudem stellen biometrische Risiken wie Invalidität, Hinterbliebenenschutz oder Langlebigkeit, bei der Produktentwicklung und -gestaltung eine Herausforderung dar. Hier geht es insbesondere darum, die richtige Balance zwischen einer guten Absicherung und einem adäquaten Preis zu finden. Eine weitere Herausforderung dürfte die Vorschrift sein, die neuen Kollektive von Beginn an in einem separaten Anlagestock zu führen.

Christian Weber: Nicht zuletzt werden auch die Kostenmodelle eine große Rolle spielen. Denn der Gesetzgeber erwartet preisgünstige Angebote. Versicherer können das nur realisieren, wenn sie ihre Kosten im Griff haben. Durch Automatisierung und Standardisierung von Geschäftsprozessen und Abläufen lassen sich die Kosten erheblich senken.

Unter dem Namen „Das Rentenwerk“ haben sich die fünf Lebensversicherer Barmenia, Debeka, Huk-Coburg, Stuttgarter und Gothaer zusammengeschlossen, um den Sozialpartnern eine flexible Betriebsrente zu bieten, die den Bedürfnissen von Arbeitgebern und Gewerkschaften angepasst werden kann. Wie sollten sich Versicherer bzw. bAV-Anbieter künftig aufstellen, um die neuen Möglichkeiten des BRSG nutzen zu können?

Axel Helmert: Die Bildung des „Rentenwerks“ ist ein guter Beleg für die Dynamik, die sich schon jetzt entwickelt. Der Markt für betriebliche Altersvorsorge ist in Bewegung. Mit dem BRSG kommen neue Anbieter. Für Versicherer ist es wichtig, die neuen Möglichkeiten auch wirklich zu nutzen und einen schnellen Zugang in den Markt zu finden. Eine wesentliche Voraussetzung ist jedoch ein modernes und leistungsstarkes Verwaltungssystem.